Medienmitteilung - In der Septembersession wird im Berner Kantonsparlament eine dringliche Motion zur Stärkung der Komplementärmedizin an der Universität Bern behandelt. Die überparteiliche Motion will das Institut für Komplementärmedizin (IKOM) stärken und fordert insbesondere dessen Erweiterung um die fehlende Pflanzenheilkunde. Der Regierungsrat lehnt die Motion in allen Punkten ab, obwohl er den Handlungsbedarf grundsätzlich anerkennt. In seiner Begründung bezieht er sich auf das kantonale Universitätsgesetz und die Autonomie der Universität. Doch es gibt auch einen Volkswillen und klare Aufträge der Bundes- und Kantonsverfassung. Diese verlangen die Berücksichtigung der Komplementärmedizin und die Förderung der natürlichen Heilmethoden. Der Grosse Rat hat es in der Hand, diesen Vorgaben endlich Nachachtung zu verschaffen.
Die von Grossrat Bruno Vanoni (Grüne) und den Grossrätinnen Andrea Zryd (SP) und Christine Gerber (SVP) eingereichte Motion wurde von 17 weiteren Grossratsmitgliedern der EVP, der SP und der Grünen mitunterzeichnet. Sie will die Komplementärmedizin an der Universität Bern stärken, deren Leistungsauftrag auf Anfang 2018 erneuert werden muss. Der Regierungsrat soll beauftragt werden, im Rahmen des nächsten Leistungsauftrags oder mit anderen geeigneten Massnahmen darauf hinzuwirken, dass die Universität Bern:
- den Lehr- und Forschungsauftrags des IKOM um den Fachbereich Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) erweitert,
- die personellen Kapazitäten des IKOM erhöht,
- die Komplementärmedizin verstärkt in die Grundausbildung der Medizinalberufe einbezieht.
Der Regierungsrat hat das Geschäft am 16. August 2017 behandelt und beschlossen, die Motion in allen drei Punkten abzulehnen. Dies obwohl er in seiner teilweise widersprüchlichen Antwort anerkennt, dass gewisser Handlungsbedarf besteht. Generell begründet er die Ablehnung damit, dass die Regierung gemäss Universitätsgesetz zwar für die Schaffung und Aufhebung von Fakultäten zuständig sei, die interne Organisation jedoch im Zuständigkeitsbereich der Universität liege.
Der Regierungsrat schreibt in seiner Antwort, er würde es begrüssen, wenn die Universität Bern in Zukunft auch den Fachbereich Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) anbieten könne. Er sei offen, das Thema zu prüfen. Eine explizite inhaltliche Vorgabe im Leistungsauftrag lehnt er ab. Auch bezüglich der Erhöhung der personellen Ressourcen für das IKOM will der Regierungsrat keine Vorgaben machen, weil die interne Organisation und Mittelzuteilung in den Autonomiebereich der Universität falle. Er fände es hingegen sinnvoll, wenn phytotherapeutische Inhalte in das künftig ausgebaute Medizinstudium aufgenommen werden könnten. Der Regierungsrat sieht aber keine Notwendigkeit, die Komplementärmedizin stärker in die neu aufgenommene Ausbildung der Medizinalberufe miteinzubeziehen. Grundkenntnisse der Komplementärmedizin würden bereits heute vermittelt. Zudem liege die Festlegung der Studieninhalte im Zuständigkeitsbereich der Universität.
Wir erinnern uns: Seit der Volksabstimmung im Jahr 2009 ist die Komplementärmedizin in der Bundesverfassung verankert. Gemäss Artikel 118a sorgen Bund und Kantone im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin. Eine der Kernforderungen in Zusammenhang mit der Umsetzung des Verfassungsartikels ist die Förderung der komplementärmedizinischen Lehre und Forschung an den Universitäten.
In der Verfassung des Kantons Bern ist die Förderung der natürlichen Heilmethoden ebenfalls aufgrund eines klaren Volksentscheids festgeschrieben. Der Regierungsrat räumt auch ein, dass dies ein wichtiges Anliegen sei, welches die Universität mit der Einrichtung verschiedener Professuren im Bereich der Komplementärmedizin bereits erfolgreich aufgenommen habe. De facto gibt es zwei Professuren am IKOM, eine davon ist eine mit Drittmitteln finanzierte Stiftungsprofessur. Der Regierungsrat stellt sich zumindest die Frage, ob die Komplementärmedizin mit dem Aufbau des in Bern noch nicht vertretenen Bereichs Phytotherapie nicht zusätzlich gestärkt werden könne. Und er ist bereit zu prüfen, die Stärkung der Komplementärmedizin als Ziel in den Leistungsauftrag 2018 bis 2021 aufzunehmen.
Der Regierungsrat des Kantons Bern würde also theoretisch die Stärkung der Komplementärmedizin an der Universität Bern begrüssen. Dennoch lehnt er die dringliche Motion in allen drei Punkten ab, weil er nicht in den Autonomiebereich der Universität eingreifen will. Dies verlangt die Motion ja auch gar nicht. Die Motion will erreichen, dass die Komplementärmedizin den ihr gemäss Verfassung und Nachfrage zustehenden Stellenwert erhält. Der Auftrag an den Regierungsrat wäre, via Leistungsauftrag oder anderer geeigneter Massnahmen darauf hinzuwirken. Das Berner Kantonsparlament hat es nun in der Hand, den Regierungsrat im Sinne des nationalen und kantonalen Verfassungsauftrags mit der Umsetzung der Motion zu beauftragen.
Der Regierungsrat hat der Universität Bern im Falle von anderen Verfassungsaufträgen bereits klare Umsetzungsziele vorgegeben. So hat er sie im geltenden Leistungsauftrag verpflichtet, die Gleichstellung und Chancengleichheit von Frauen und Männern zu fördern. Analog könnte nun die verstärkte Gewichtung der Komplementärmedizin in den neuen Leistungsauftrag aufgenommen werden, ohne die Autonomie der Universität zu schmälern. Dies gilt umso mehr, als die Universität zusätzliche finanzielle Mittel von Bund und Kanton zum Ausbau der medizinischen Fakultät zwecks Schaffung zusätzlicher Studienplätze erhält.
Die Komplementärmedizin kann darüber hinaus einen Beitrag zur Kosteneindämmung in der ärztlichen Grundversorgung leisten. Grundversorger mit einem Fähigkeitsausweis in Komplementärmedizin arbeiten im Vergleich günstiger als konventionell tätige Humanmediziner. Dies belegt eine Auswertung des SASIS-Datenpools für die Jahre 2010 bis 2014. Ein Grund mehr, die Komplementärmedizin auf allen Ebenen zu stärken und das Forschungs- und Lehrangebot mit der fehlenden Phytotherapie zu ergänzen.
Bei Fragen wenden Sie sich an:
- Dr. med. Hansueli Albonico, Hausarzt in Langnau, ehemaliger Präsident Union komplementärmedizinischer Ärzteorganisationen, 079 59 579 48 / hu.albonico@hotmail.com
- Walter Stüdeli, Leiter Politik und Medien Dakomed: 079 330 23 46 / walter.stuedeli@dakomed.ch